Regionen (OPAC): Lippe, Schaumburg-Lippe, Waldeck, Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
14
Geschichtliche Entwicklung.
unter Konstantin aber werden als Hauptfeinde am Niederrhein dem Köl-
nischen gegenüber die Brukterer genannt, unter Julian im Ruhrgebirge
die Attuarier. Diese durch römische Hinterlist zerschlagenen und erwan-
derten Stämme nämlich haben sich im Anschluß an Tenkterer, Mattiaken
(Nassauer) und Chatten (Hessen) gegen die Mitte des 3. Jahrh. zu einem
Waffenbunde gesammelt, vvn der römischen Oberherrschaft frei gemacht, und
treten nun als solche, als Freie, d. i. Franken, auf, von den Römern die
Ripuarier, d. i. Uferfranken, genannt, während die ebenfalls um selbe Zeit
von der Issel im S all an de vorstürmenden Germanen als Salische und
Chamavische Franken erscheinen.
In Westfalen aber saß seit Verdrängung der alten Bevölkerung, seit
dem Ende des 1. Jahrh., ruhig und seßhaft das Bauernvolk der Engern
(Angrivarier-Chaukeu). Kämpfe mit den Römern werden aus diesen Gegen-
den bis zum 3. Jahrh. nirgend gemeldet. Aber auch die Engern, die
Verdränger der alten Teutoburgvölker, ereilte fast wie eine Nemesis ein ähn-
liches Schicksal.
Im 4. Jahrh. nämlich dringt aus Schleswig-Holstein das Kriegsvolk
der Sachsen erobernd in Westfalen ein, unterwirft das ganze Land, läßt
aber die alte engrische Bevölkerung teils frei, teils in Hörigkeit sitzen;
daher die vielen halbfreien Laten, Liten, Lassen des neuen sächsischen Frei-
staates, der sich nunmehr unter Häuptlingen, und für den Kriegsfall unter
einem erwählten Herzog stehend, in vier große Bezirke gliedert! Westfalen
zwischen Rhein und Osning-Egge; Engern im Weserlande an beiden Ufern
des Flusses; Ostsalen bis zum linken Elbufer, und Transalbingien, das
überelbische sächsische Stammland. Unter diesen Namen finden wir die Landes-
teilung zur Zeit Karls des Großen. Markloh an der Weser wird uns als
Platz für das große sächsische Volksthing genannt, zu welchem Edeliuge,
Friliuge und Liten aus ganz Sachsen ihre Vertreter sandten. Merk-
würdigerweise dringen die erobernden Sachsen, schon im 4. Jahrh. heftige
Feinde der rheinländischen Franken, an keinem Punkte bis hart an den
Rhein vor; überall bleibt ein breiterer oder schmalerer Landstreifen zwischen
dem sächsischen Westfalen und dem Stromufer fränkisch. Dies ist eben
die alte (S. 13 Anm. genannte) Römerreichsgrenze, von den Römern
im 4. Jahrh. den Franken überlassen, dann von diesen als Rechtsnachfolgern
der Römer aufs schärfste gegen die vordringenden Sachsen-Westfalen verteidigt
und gehalten.
2. Mittelalter.
Vom 5. bis 8. Jahrh. meldet die Geschichte wenig über Westfalen; nur
stete Kämpfe der Sachsen mit den merovingischen Königen und Haus-
meiern in der Nähe der alten Römergrenze; die Eroberung Sachsens gelingt
erst Karl dem Großen in den gewaltigen Kriegen von 772 bis 804; sein
Gegner Herzog Wittekind läßt sich 785 taufen. Es folgt die Gründung
der Bistümer Osnabrück, Minden, Paderborn, Münster, die Ein-
richtung der Pfarreien innerhalb der Grenzen alter Gerichtssprengel; inmitten
der alten Bauerschaften entstehen Kirchdörfer und Marktflecken, von denen
manche später zu ummauerten Städten werden.
Die fränkischen Gerichts- und Verwaltungsdistrikte heißen Gaue;
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Extrahierte Personennamen: Konstantin Julian Nassauer Karls Karl_dem_Großen Karl
Extrahierte Ortsnamen: Hessen Westfalen Schleswig-Holstein Sachsen Westfalen Rhein Sachsen Sachsen Rhein Westfalen Westfalen Sachsen Sachsens Minden Paderborn
Regionen (OPAC): Lippe, Schaumburg-Lippe, Waldeck, Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
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Y. Geschichtliche Entwicklung.
Konstantin aber werden als Hauptfeinde am Niederrhein dem Kölnischen
gegenüber die Brukterer genannt, unter Julian im Ruhrgebirge die
Attuarier. Diese durch römische Hinterlist zerschlagenen und entwanderten
Stämme nämlich haben sich im Anschluß an Teukterer, Mattiaken (Nassauer)
und Chatten (Hessen) gegen die Mitte des 3. Jahrh. zu einem Waffen-
bunde gesammelt, von der römischen Oberherrschaft freigemacht, und treten
nun als solche, als Freie, d.i. Franken, auf, von den Römern die Ripuarier,
d. i. Uferfranken, genannt, während die ebenfalls um dieselbe Zeit von der
Issel im Sallande vorstürmenden Germanen als Salische und Chama-
vische Franken erscheinen.
In Westfalen aber saß seit Verdrängung der alten Bevölkerung, seit
dem Ende des 1. Jahrh., ruhig und seßhaft das Bauernvolk der Engern
(Angrivarier-Chanken). Kämpfe mit den Römern werden aus diesen Gegen-
den bis zum 3. Jahrh. nirgends gemeldet. Aber auch die Engern, die Ver-
dränger der alten Teutoburgvölker, ereilte fast wie eine Nemesis ein ähnliches
Schicksal.
Im 4. Jahrh. nämlich dringt aus Schleswig-Holstein das Kriegsvolk
der Sachsen erobernd in Westfalen ein, unterwirft das ganze Laud, läßt
aber die alte engrifche Bevölkerung teils frei, teils in Hörigkeit sitzen;
daher die vielen halbfreien Laten, Liten, Lasten des neuen sächsischen Frei-
staates, der sich, uunmehr unter Häuptlingen und für den Kriegsfall unter
einem erwählten Herzog stehend, in vier große Bezirke gliedert! Westfalen
zwischen Rhein und Osning-Egge; En gern im Weserlande an beiden Ufern
des Flusses; Ostfalen bis zum linken Elbufer, und Transalbingien, das
überelbische sächsische Stammland. Unter diesen Namen finden wir die Landes-
teilnng zur Zeit Karls des Großen. Markloh an der Wefer wird uns als
Platz für das große sächsische Volksthing genannt, zu welchem Edelinge,
Frilinge und Liten aus ganz Sachsen ihre Vertreter sandten. Merk-
würdigerweise dringen die erobernden Sachsen, schon im 4. Jahrh. heftige
Feinde der rheinländifchen Franken, an keinem Punkte bis hart an den
Rhein vor; überall bleibt ein breiterer oder schmalerer Landstreifen zwischen
dem sächsischen Westfalen und dem Stromufer fränkisch. Dies ist eben
die alte Römerreichsgrenze (s. S. 13 Anm.), von den Römern im
4. Jahrh. den Franken überlassen, dann von diesen als Rechtsnachfolgern
der Römer aufs schärfste gegen die vordringenden Sachsen-Westfalen verteidigt
und gehalten.
2. Mittelalter.
Vom 5. bis 6. Jahrh. meldet die Geschichte wenig über Westfalen; nur
stete Kämpfe der Sachsen mit den merowingischen Königen und Haus-
meiern in der Nähe der alten Römergrenze; die Eroberung Sachsens gelingt
erst Karl dem Großen in den gewaltigen Kriegen von 772 bis 804; sein
Gegner Herzog Wittekind (s. Abb. 16) läßt sich 785 taufen. Es folgt
die Gründung der Bistümer Osnabrück, Minden, Paderborn, Münster,
die Einrichtung der Pfarreien innerhalb der Grenzen alter Gerichtssprengel;
inmitten der alten Bauerschaften entstehen Kirchdörfer und Marktstecken,
von denen manche später zu ummauerten Städten werden.
Die fränkischen Gerichts- und Verwaltnngsdistrikte heißen Gaue;
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Schaumburg-Lippe
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
175 —
nach Westen ging. Sa konnte niemand bevorzugt werden. Jeder
bekam gutes und schlechtes, naheliegendes und entferntes Ackerland.
Angesehene Volksgenossen erhielten mehrere Lose. Aus allen Feldern
mußte dieselbe Frucht gebaut werden, auch die Bewirtschaftung
gleichzeitig geschehen. Ferner nutzte jeder dulden, datz aus seinen!
Brachlande geweidet und über seinen Acker gefahren wurde. Neben
der Feldgemeinschaft herrschte also der Flurzwang. — Allmäh-
lich mangelte es hier wie bei anderen Volksstämmen infolge von Über-
völkerung an dem erforderlichen Grund und Boden. Darin liegt
jedenfalls eine der Veranlassungen, die zur späteren Völkerwan-
derung führten.
Was die Ackerbewirtschaftung anbetrifft, so war die Herbst-
bestellung, auch die Obstkultur, der Garten- und Wiesenbau aufäng-
lich noch unbekannt, das Ackerland noch nicht dauernd vou Wald-
und Weideland geschieden. Aber während noch zu Casars Zeit
alljährlich ein neues Stück Wildland verteilt und iu Anbau ge-
nommen wird, werden zur Zeit des Tacitus schon in längeren
Zwischenräumen neue Ackerfluren abgegrenzt und unter den Pflug
genommen. Da mau deu Acker nicht düngte, konnte mau ihu nur
einige Jahre hintereinander bebauen; dann ließ man ihn ebenso
lange brach liegen. Der Ubergang von dieser sogenannten Wechsel-
oder Zweifelderwirtschaft zur Dreifelderwirtschaft durch Ein-
sührung der Wintersaaten hat sich erst viel später vollzogen, aber
noch längere Zeit vor Karl dem Großen.
Staatliche Einrichtungen. Die Bevölkerung war in drei
Stände geschieden. Als vornehmste Klasse galt durch Ansehen und
Besitz der Adel (westgerm. etheling, althochd. adaling), aus dem
in der Regel die Führer gewählt wurden. Die große Masse des
Volkes bildeten die Freien, die alle gleichberechtigt waren. Die
Unfreien (Knechte, Sklaven) waren Kriegsgefangene, Fremde oder
durch freiwillige Unterwerfung aufgenommene Kolonisten. Sie
dienten als Hausgesinde oder hatten als Landsiedler bestimmte Ab-
gaben und Herrendienste (Fronden) zu leisten; ihre Zahl war nicht
bedeutend. Ein Unfreier konnte für besondere Verdienste durch
Wehrhastmachung (Belehnung mit Schild und Speer) auf Beschluß
der Volksversammlung freigelassen werden. — Bei den Westgermanen
gab es noch als Zwischenstufe zwischen Freien und Unfreien die
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Schaumburg-Lippe
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
176 —
Hörigen. Das waren gewaltsam unterworfene und auf fremdem
Grund und Boden angesiedelte Leute, die später allgemein als
Laten bezeichnet werden.
Alle nahverwandten Familien bildeten eine Sippe und blieben
ursprünglich zusammen. Mehrere Sippen oder Geschlechter waren
zu Heereszwecken als Hundertschaften vereinigt. Darunter ist in
Niedersachsen, wo man nach dem sogen. Großhuudert zählt, eine
Anzahl von 120 wehrhaften Männern zu verstehen, die aber mit
Frauen, Kindern und Knechten gewiß mehrere hundert Köpfe um-
faßte. Als übergeordnete Heeresabteilungen über deu Hundert-
schaften erscheinen in der ältesten Zeit die Tausendschaften. Aber
schon zur Zeit des Tacitus gelten bei diesen Bezeichuungen für die
Zufammenfetznng des Volksheeres nicht mehr die Zahlen, sondern
nur noch die Namen; es ist also gleichgültig, ob die Hundertzahl
hundert Manu oder huudert Familieu bedeutet. Vielmehr ist uuter
einer Hundertschaft bereits ein räumlich begrenztes Gebiet zu ver-
stehen, das einen eigenen Gerichtsbezirk darstellt und nuumehr als
Gau bezeichnet wird. Der Gau bildet somit den engsten staatlichen
Verbaud, wie die Markgenossenschaft die engste wirtschaftliche
Vereinigung. In vielen Fällen wird Wohl die Zusammenlegung
mehrerer Hundertschaften zu einem Gau erfolgt fein. Zahl und
Größe der Gaue innerhalb des einzelnen Volksstammes war sehr
verschieden.
An der Spitze eines Gaues stand ein gewählter Führer (Fürst),
der vor allem auch das Richteramt auszuüben hatte. Er Pflegte
sich aus jüngeren und älteren Männern ein Gefolge zu bilden, das
ihm im Kriege als Leibwache, im Frieden als ständiges Ehren-
geleite diente. In das Gefolge konnte nnr eintreten, wer das
Waffenrecht besaß. Die Mannen waren ihrem Herrn tren ergeben,
der ihnen dafür Unterhalt und Geschenke gewährte. Im übrigen
ist die Gauverfassung der alten Germanen in Dunkel gehüllt.
Kriegswesen. Die germanische Heeresverfassung beruhte auf
der Wehrpflicht aller waffenfähigen Männer. Nnr Unfreie, Hörige
und ihrer Ehre verlnftige Freie gehörten nicht znm Heere. Das
Heer war nach Ganen, Hnndertfchaften, Geschlechtern, Sippschaften
gegliedert und bestand fast nnr aus Fußtruppen. Es wurde in
keilförmigen Kolonnen anfgeftellt. Das Aufgebot zur Heerfahrt
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Schaumburg-Lippe
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 193 —
Schläge. Jedes Feld wurde der Reihe nach im ersten Jahre mit Winterkorn
Moggen, Weizen), im zweiten mit Sommerkorn (Hafer, Gerste) bestellt und diente
im dritten als Brachland zur Gemeindeweide. Die Zahl der Gewanne, die jedes
Feld umfaßte, richtete sich nach der Bodenbeschaffenheit. Die einzelnen Acker-
stücke waren in der Regel alle von gleicher Breite (daher „Breiten"), während
die Länge verschieden sein konnte; nur die zur Pflugwende benutzten Äcker
(Anwandäcker, „Anewenge") erhielten zur Entschädigung größere Breite. In
besonderen Fällen wurde die Größe der Äcker mit der Rute oder dem Meßseil
festgestellt. War ein Gewann für die erforderliche Zahl von Ackerstücken zu
klein, so wurde ein zweites hinzugenommen. Was in die Gewanne wegen ihrer
Form als Parallelogramme nicht paßte, blieb als sogenannte Ger (von der keil-
förmigen Gestalt) unverteilt liegen.
Größe der Höfe. Der Gesamtbesitz einer Familie an Ackerstücken inner-
halb der einzelnen Gewanne wurde eine Hufe genannt (die altdeutsche Be-
zeichnung huoba für Hufe hängt nicht mit Hof zusammen). Die nach dem
durchschnittlichen Bedürfnis einer Haushaltung berechnete Größe einer Hufe be-
trug in unserer Heimat 60 Tagwerk (anderswo oft 30). Unter Tagwerk ver-
stand man kein bestimmtes Flächenmaß, sondern ein Stück Ackerland, das man
mit einem Gespann an einem Vormittag (daher „Morgen") umpflügen konnte.
Ein Hof hatte also gewöhnlich 60 Morgen Land (Pflug- und Brachland zu-
sammen), wovon aber in älterer Zeit nur 20 Morgen oder wenig darüber wirk-
liches Ackerland gewesen sein werden.
Stände. Das freie sächsische Volk gliederte sich in drei kästen-
artig streng voneinander geschiedene Stände: Edeliuge, Frielinge
und Laten. Die Edelinge (mobiles) standen über den anderen
Klassen; ihnen entstammen die im Laufe der Zeit zu erblicher Ge-
walt gelangten Fürstengeschlechter. Die Frielinge besaßen Grund-
eigentnm und dieselben politischen Rechte wie jene. Die Laten
oder Liteu (S. 176) waren persönlich freie, aber abgabenpflichtige
Leute und bildeten die große Masse der Ackerbau treibenden
Bevölkerung. Außerhalb der Volksgemeinschaft standen die Sklaven,
meist Kriegsgefangene und deren Nachkommen; sie mußten im Haus-
halt oder auf den Höfen ihrer Herren, denen auch das Wergeld
(S. 196) zukam, tätig sein. Bei Todesstrafe war die Vermäh-
lnng mit einer Frau höheren Standes verboten.
Gane. Das Land zerfiel in Gaue. An der Spitze standen
Häuptlinge, Alteste, unter deren Leitung die Gaugenossen zur Ver-
sammlung zusammentraten, Recht sprachen und notwendige Ange-
legenheiten regelten. Eine weitere Obrigkeit gab es in Friedens-
gelten nicht. Im Falle eines Krieges ordnete man sich gemeinsamen
Führern oder Herzögen unter (S. 177). So werden um 775 drei
13
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Schaumburg-Lippe
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 200 —
die Wiederherstellung ihrer alten Rechte versprach, wie sie einst ihre
Väter als Heiden gehabt hatten. Da schlössen sich die Sachsen zu
dem furchtbaren Stellingabunde zusammen (Stellinge — Wiederher-
steller) und erhoben sich gegen Ludwig den Deutschen und die
von ihm begünstigten Edelinge, so daß ein Bauernaufstand mit all
seinen Greueln das Land durchtobte. Aber Ludwig siegte und
erstickte den Aufstand in Blut: 140 Führer wurden enthauptet, 14
gehängt, „uuzähliche", so heißt es, an den Gliedmaßen verstümmelt.
Der kühne Versuch, zur alten Freiheit, zum alteu Recht zurückzu-
kehren, hatte ein Ende mit Schrecken genommen. Aber statt der
erhofften Verbesserung gestaltete sich die Lage in der Folgezeit erst
recht ungünstig, denn die Menge der sächsischen Bevölkerung wurde
von den Großen des Landes mehr und mehr abhängig, während
diese selbst immer größere Macht erlangten.
Das Kehnsivesen. Mit der Frankenherrschast war auch das
Lehnswesen uach Deutschland gekommen. Es beruhte darauf, daß
der König den Großen seines Reiches für ihre Dienste oder Amts-
sührung statt Geld Ländereien, Güter und Burgen zur Nutzung lieh
(Lehen), und daß auch diese ihrerseits ebenfalls wieder Güter zu
Lehen gaben. Der Belehnte (Vasall) war feinem Lehnsherrn
(dem Könige, Herzoge, Grafen, Bischof) zum Kriegsdienste ver-
pflichtet. Kleinere Lehen konnten an andere Lehnsträger weiterge-
geben werden (Afterlehen), deren Inhaber wiederum diesen Lehns-
leuten untergeordnet und zur Treue verpflichtet waren. Schließlich
wurde auch ein Amt zu Lehen gegeben. Aus dem vom Könige
selbst in Besitz genommenen Grundeigentum vertriebener oder ver-
nichteter Geschlechter entstanden die überaus reichen Krongüter
(Domänen), während auch viel Grund und Boden als freies Eigen-
tum (Allod) feinen Kriegsgefährten überlassen wurde.
Das Lehnswesen führte nicht nur eiue Änderung der Besitz-
Verhältnisse, sondern auch des Kriegsdienstes herbei. Es zogen nicht
mehr die freien Männer, fondern die Lehnsherren mit ihren Vasallen
ins Feld. Viele der Vasallen stellten sich künftig als Reiter ein.
Der geringe Mann konnte die Kosten des Reiterdienstes nicht leisten
und befreite sich darum von der Heerpflicht durch jährliche Zahlung
einer Steuer (später Grafenschatz). Die Reiter wurden bald allgemein
Ritter genannt. Der Ritterstand, dessen Blüte in die Zeit der
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Schaumburg-Lippe
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 201 —
Kreuzzüge fällt, umfaßte nunmehr außer Edlen und Freien auch
wohlhabende Hörige, aus denen der niedere Adel hervorging. Das
Reiterheer spielte fortan bei der Kriegführung die Hauptrolle, nicht
mehr die Fußtruppe, das alte Graffchaftsaufgebot der Baueru zum
Heerbann. So nahm das Ansehen der Bauern allmählich ab,
zugleich aber auch die kriegerische Tüchtigkeit des ganzen Volkes.
Der Verlust der altgermanischen Freiheit und Selbständig-
keit zeigte sich auch in der veränderten wirtschaftlichen
Lage der Bauern. Die vielen Aufstände, Kriege und Ver-
heerungen hatten ihre Lathnsen, wie die Hose damals genannt
wurden, zurückgebracht, und in vielen Fällen zu Teilungen oder
Verkäufen geführt, während der Grundbesitz weltlicher und geist-
licher Herren so angewachsen war, daß diese nach und nach ein
Obereigentum an Grund und Boden und damit schließlich das Recht
der Grundherrschaft erlangt hatten. In der Hoffnung auf Schutz
und Förderung seiner Wirtschaft übertrug nun der Bauer freiwillig
oder dazu gedrängt seinen Hof einem Grundherrn, um ihn dann
aus dessen Hand gegen Entrichtung bestimmter Abgabeu (Zinsen)
oder gegen Leistung unentgeltlicher Dienste (Fronden) als Lehen
wiederzuerhalten. So wurde der ursprünglich freie Bauer
als Zins- oder Fronbauer Lehnsmann eines Adeligen,
eines Klosters oder einer Kirche. Andere Dorfbewohner, die
keine selbständige Ackerwirtschaft betrieben und auch selten Haus und
Garten hatten, gehörten dem Grundherrn ganz zu eigen (leibeigen).
Die Leibeigenen hatten in der Regel keine Abgaben zu entrichten,
sondern nur Dienste zu leisten, aber nicht wie die Hörigen mit Be-
schränkung auf bestimmte Tage (gemessene), sondern Tag für Tag
(ungemessene Dienste). Oft gingen ganze Gemeinden in grund-
herrlichen Besitz über, während wieder in manchen Dörfern grund-
herrliche und freie Höfe oder grundherrliche Höfe verschiedener
Herren nebeneinander bestanden. Ein gänzlich freier Bauernstand
erhielt sich in größerem Umfange nur in den Marschen des nörd-
lichen Sachsens.
Die Meiergutsverfasfung. Mit dem fränkischen Recht
hatte auch die karoliugische Güterverwaltung Eingang in Sachsen
gefunden. Nach dem Vorbilde der großen königlichen Güter, die
seit der Karolingerzeit her zusammenhängende Gebiete und einheit-
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Schaumburg-Lippe
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 214 —
dem Nesselberge soll später auch das Wappen der Schaumburger
eutlehut sein, das bekannte Nesselblatt. (Das Nesselblatt tritt erst
in der Mitte des 13. Jahrhunderts auf. Das ursprüngliche Wappen
der Schaumburger war ein blauer Löwe in weißem Felde.)
Jene Erzählungen von der Entstehung der Grafschaft Schaum-
bürg stützen sich auf die Nachrichten des Dominikanermönches
Hermann von Lerbeke, der um die Wende des 14. Jahrhunderts in
Minden lebte und durch seine Mindener Bistums- und Schaum-
burger Graseuchrouik bekannt ist. Die Geschichte berichtet uns da-
gegen, daß Konrad nur im Jahre 1025 und 1033 für kurze Zeit
in Minden anwesend war. Nach sicheren Urkunden*) hatten die
Schaumburger noch bis Ende des 15. Jahrhunderts Güterbesitz im
Magdeburgischen. Da diese Besitzungen vorher Eigentum der Wal-
becker Grafen waren, fo hat man angenommen, daß die Schaum-
burger diesem Hause entstammen (Wippermaun. Bukkigau). Durch
Erbschaft waren die Besitzungen des Edlen Wirinhardus (S. 212)
auf dessen Tochter Godila übergegangen und in weiterem Verlaufe
auf deren Nachkommen Adolf von Santersleben, der aber auch sonst
am Deister (Rodenberg, Gehrden) begütert gewesen sein wird.
Jedenfalls stehen sie auch mit dem Geschlechte der Brunonen in
Verbindung, den Nachkommen jenes Bruno, der sich als Heerführer
der Sachsen in Engern im Jahre 775 Karl dem Großen unterwarf
(S. 195). Diesem Geschlechte entspringen wohl alle bis etwa 1100
in Sachsen zur Herrschaft gelangten Familien.
Solche verwandtschaftliche Beziehungen neben einem bedeuten-
den Grundbesitz (außer dem erwähnten in der Altmark auch in
Stormarn) erklären es, daß die Schaumburger schon im 11. Jahr-
hundert vielleicht als Herren von Gehrden oder Rodenberg uuter
den übrigen Adelsgeschlechtern im mittleren Wesergebiet zu einer
hervorragenden Stellung gelangt waren. Ihre sicher gelegene Feste
Schaumburg diente ihnen als Stützpunkt in den mancherlei Kämpfen
und Fehden, die sie hier mit anderen Geschlechtern um die weitere
Ausbreitung ihres Einflusses auszusechten hatten. Ein Geschlecht
nach dem andern fügte sich schließlich diesen mächtigen Burgherren.
Ihr Ansehen wuchs so schnell, daß sie schon srüh bedeutende aus-
wärtige Lehnsgüter erhielten.
*) Urk Samml. von Capaun, Reg.- u. Kons. Sekret, in Bückeburg (f 1822).
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TM Hauptwörter (200): [T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T31: [Jahrhundert Schweden Norwegen Dänemark König Ende Jahr Anfang England Mitte], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Extrahierte Personennamen: Hermann_von_Lerbeke Konrad Konrad Godila Adolf Rodenberg Bruno Karl_dem_Großen Karl Rodenberg
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Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 261 —
nämlich das Fort Georg auf dem Klütberge bei Hameln und das
portugiesische Fort de la Lippe an der spanischen Grenze. Ein
drittes Werk dieser Art ist in unserm eigenen Lande vorhanden;
es ist der Wilhelmstein im Steinhuder Meere. Aus der dort vom
Grafen errichteten Kriegsschule ist der berühmte General Scharnhorst
hervorgegangen.
Ganz besonders galt des Grafen Fürsorge auch dem Wirt-
schaftlichen Aufschwünge seines Landes. Er arbeitete zahlreiche
Vorschriften und Anweisungen aus, wie der Acker- und Wiesenbau
und dergl. zu heben sei; über die Erfolge forderte er sorgfältige
Berichte ein. Auch setzte er Versammlungen angesehener Hauswirte
aus Stadt und Land an, um über gemeinnützige Angelegenheiten
frei zu beraten. Viel ödes Land wurde urbar gemacht und für den
Ackerbau gewonnen. Die Obstbaumzucht wurde auf seine Anordnung
hin eifrig gefördert. Seinen verdienten Soldaten schenkte er Wohn-
Häuser und Ackerland. Die herrschaftlichen Vorwerke ließ er als
Pachtländereien vereinzeln, um eine beffere Bewirtschaftung zu
erzielen. Kleineren Leuten überwies er Land zur Ansiedelung
und befreite sie für bestimmte Zeit vou Abgaben und sonstigen
Lasten. Auch die Lage der damals sehr bedrängten Bauern suchte
er zu bessern, indem er die Frondienste abschaffte, so daß sie künftig
für ihre dem Staate geleistete Arbeit bezahlt wurden. Neben der
Landwirtschaft förderte er Gewerbe und Industrie durch mehrere
Anlagen. So entstanden auf dem Lande Ziegeleien, in Steinhude
eine Schokoladen- und Damastfabrik, bei der Arensburg ein Eifen-
Hammer und eine Papiermühle, in Bückeburg eine Gießerei, die
damals zu den vorzüglichsten Deutschlands zählte, und noch manche
andere Einrichtungen. Besonders hob er Spinnerei und Weberei
im Lande. Für die Handwerker errichtete er eine Vorschußkasse,
aus der fleißige Meister Geld zinsfrei geliehen erhielten. Eine von
ihm gegründete Brandversicherungskasse gewährte Unterstützungen bei
Feuerschaden. Große Geldsummen setzte er für die Verpflegung
armer Leute aus. Auf allen Gebieten eiferte er durch Belohnungen
und Auszeichnungen an, um ein wirtschaftlich tüchtiges Geschlecht
zu erziehen. Er wurde darum nicht nur als Feldherr, sondern auch
als Landesvater von seinen Untertanen bewundert und geliebt.
Bei all dieser vielseitigen Tätigkeit war er ein eifriger Freund
und Förderer von Kunst und Wissenschaft. Er felbst strebte auf
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Schaumburg-Lippe
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
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bereits durch Besitz oder Ansehen eine besondere Machtstellung erlangt
hatten, förderten die Anlage neuer Orte, indem sie einen Trupp
ihrer Leute in den Urwald zur Ansiedelung schickten. Die Lichtung
des Waldes aber konnte allen Siedlern nur erwünscht sein, weil
dadurch ja die wilden Tiere zurückgedrängt wurden, die dem Vieh
und deu Feldern so sehr schadeten. Siedelungen dieser Art enthalten
das Grundwort dors, das in unserer Gegend viel vorkommt, z. B.
in Bergdors, Selliendorf, Echtorf, Gelldorf, Volksdorf, Beckedorf,
Ohndorf usw.; die ältere Form trup, z. B. in Barntrup (Lippe),
ist durch Lautverschiebung turp, thorp, dorp, dors geworden. Ebenso
häufig wie die Formen aus dorf sind aus dieser Zeit die Orts-
bezeichnuugen auf seu oder Hausen, die iu der Regel den Sitz
eines ursprünglich Freien bezeichnen, z. B. Blyinghausen (Blido),
Habrihansen, Heuerßen (Hoger), Kobbensen (Kobbo), Tallensen, Le-
vesen, Deinsen, Widdensen, Meinsen usw. Andere Ortsnamen sind
solche mit seld, holz, städt, rode usw. (Meinefeld, Wackerfeld, Buch-
holz, Nienstädt, Rodenberg, Rohden, Hohenrode, Raden).
Ein weiterer Ausbau des Landes erfolgte im 12. und 13. Jahr-
hundert durch die Anlage der Hagendörfer, die auf Veranlassung
der Landesherren entstanden (S. 90). Diese Neusiedelungen finden
sich hauptsächlich im östlichen Teile des heutigen Fürstentums; jeden-
falls waren hier keine Markgenossenschaften vorhanden. Die Hagen-
dörfer sind Reihendörfer und unterscheiden sich als solche von unseren
älteren Ortschaften, die wegen der zerstreuten Lage der Höfe als
Haufendörfer erscheinen.
Das 14. Jahrhundert bezeichnet den Anfang unserer Städte,
an deren Stelle ursprünglich außer der gräflichen Burg uur einige
Wirtschaftshöfe lagen. Durch Heranziehen von Dienstleuten, Ar-
beitern, Handwerkern usw. gegen Zusicherung gewisser Freiheiten
und Rechte wuchs der Ort allmählich zur Stadt heran. Wie
langsam diese Entwicklung manchmal vor sich ging, zeigt das Bei-
spiel von Bückeburg. Der Ort wurde erst am 4. Februar 1609
durch die Errichtung von Märkten zur wirklichen Stadt erhoben;
es heißt in dieser Verordn.: „Zur Hebung des Erwerbs und Ver-
dienstes sollen in Bückeburg jährlich 2 Jahrmärkte gehalten werden,
der eine Montag nach Jnvocavit, der andere Montag nach Bartholo-
maus, je 3 Tage. Der Magistrat kann Stättegeld heben. Auch
werden 2 Wochenmärkte eingerichtet, Dienstag und Freitag". Noch
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